Die Hauptdarsteller Julia Jentsch („24 Wochen“) und Nicholas Ofzarek („Die Ibiza Affäre“) im Gespräch über die dritte und finale Staffel von "Der Pass", ihre Rollen und die Dreharbeiten.
Wie unterscheidet sich in Ihren Augen die dritte Staffel von den ersten beiden?
N. O.: Die dritte Staffel konzentriert sich mehr auf die beiden Kommissare. Der Fall ist nicht mehr so zentral. Es geht vielmehr um das, was psychologisch mit den beiden, mit jedem für sich und miteinander passiert. Das wird entlang des Falles erzählt. Die Dramaturgie ist noch ein bisschen extremer gewählt, alles wird bruchstückhafter. Es geht dem Ende zu. Es ist lethal.
J. J.: Jein. Ja, es geht viel um die beiden. Aber nein, nach meinem Gefühl nimmt der Fall diesmal noch viel mehr Raum ein. Weil es eigentlich drei Fälle sind. Ellie verfolgt den ungelösten Gössen-Fall, der auch ihr Verhältnis zu Gedeon Winter bestimmt, und die Suche nach dem neuen Serienmörder. Auch Gedeon schleppt seinen alten Fall mit. Für mich fühlt sich das eher wie eine Wucherung an.
N. O.: Es gibt niemanden auf der Welt, mit dem ich die ganze Zeit auf eine so lustvolle Art und Weise so unterschiedlicher Meinung bin wie mit Julia Jentsch. Und zwar immer. Dabei verstehen wir uns super. Aber wir sind einfach immer anderer Meinung. Wahrscheinlich haben wir deshalb drei Staffeln gemeinsam so gut durchgestanden.
Ich empfinde Ihr Spiel im „Pass“ als konzentriert und pur. Gesichter und Gesten werden von Kamera und Licht akzentuiert, Kostüm und drumherum spielen weniger eine Rolle. Bedeuten weniger Mittel eine größere Herausforderung?
J. J.: Das mag Ihnen so erscheinen, weil sich die Kostüme ähneln. Aber im Ernst. Ich glaube, ich hatte selten für eine Figur so viele Kostümwechsel wie im „Pass“.
N. O.: Das Reizvolle ist doch, dass die Serie kein pures Abbild des Lebens sein will, sein muss und sein soll. Da braucht es auch nicht so einen Pseudorealismus. Ich finde das Konzentriertere viel interessanter. Das hilft eher als dass es eine Herausforderung ist. Im Vertrauen in die Einfachheit liegt ein großer Vorteil. Das gilt für den Film wie fürs Leben.
Wer ist in Ihren Augen der Stärkere im „Pass“. Stocker oder Winter?
N. O.: Sie ruht in sich …
J. J.: Was? Also die Ellie Stocker ist alles andere als in sich ruhend. Auch die hat ihre Widersprüche. Das macht das Spannende an beiden Figuren aus und das Reizvolle am Spiel. Ich habe selten zwei Figuren erlebt, die bei allen Gegensätzen am Ende auch so viel verbindet.
N. O.: Da sind wir uns jetzt endlich mal einig.
Zum Finale ist der Zuschauer mit der Sagenfigur des Schinderjackl vertraut. Der Jackl bezeichnet einen Lehrer, der Strauchelnde allzu leicht verführen kann. Gab es so jemandem auch in Ihrem Leben? Erinnern Sie sich an Situationen, in denen Sie auf der Suche nach Antworten an die falschen Lehrer gerieten?
N. O.: Ich besitze eine gute Menschenkenntnis und einen guten Instinkt und habe mich dennoch manchmal geirrt. Es gab auch Menschen, die mir gegenüber in der beruflichen Hierarchie höher gestellt waren, und sich als absolute Enttäuschung herausgestellt haben. Es gab Irrtümer und Situationen, in denen ich auf meinen Instinkt hätte hören sollen. Das hat mich erschüttert, aber es hat mich stärker und aufmerksamer gemacht. Es war also für was gut.
J.J.: Ich habe in dieser Hinsicht immer Glück gehabt. Außerdem glaube ich, dass man einfach aushalten muss, auf viele Fragen keine eindeutigen Antworten zu finden.
N. O.: „Der Pass“ gibt schon auch andere Antworten als der Jackl. Einen engeren Kontakt zur Natur zu finden, das wäre für unsere städtische Gesellschaft schon Antwort auf vieles. „Der Pass“ erzählt doch auch von der Konfrontation des Menschen mit der Natur. Eine Rückbesinnung und ein neues Vertrauen in die Natur könnte Antworten geben.
Die Natur ist im „Pass“ eine mystifizierte Landschaft.
N. O.: Klar. Es geht darum, dass wir die Natur gern fassen und begreifen und strukturieren möchten, dabei aber einer Wildnis begegnen, die sich nicht immer greifen lässt. Das zu akzeptieren und anzunehmen, damit auch den Lauf des Lebens wieder zu akzeptieren, würde vieles erleichtern.
Interview: Sky